Was brauche ich wirklich?

Bei einem Spaziergang durch die Zürcher Bahnhofstrasse machte ich diese Foto. Sie zeigt Uhren im Fenster eines Luxusgeschäfts. Die eine Uhr kostet Fr. 30 800.–, die andere „nur“ Fr. 19 800.–. Dazu lese ich heute in den Online-Zeitungen: Es bilden sich lange Schlangen vor den Luxusuhren-Geschäften und vor dem Luxus-Laden Louis-Vuitton.

Ab Montag, 11. Mai, dürfen wir Menschen wieder einkaufen. Es stimmt mich nachdenklich, dass Menschen Uhren im Wert von mehreren 10 000 Franken kaufen, während andere Menschen um das Nötigste im Leben kämpfen müssen. Und es stellt sich mir die Frage: Was brauchen wir zum Leben? Fühle ich mich besser, wenn ich eine 30 000-fränkige Uhr am Handgelenk trage?

Was macht uns das Leben lebenswert? Es ist mir eine grosse Freude und gibt mir Kraft, wenn ich an viele Begegnungen in unserer Pfarrei denke: Da begegne ich Menschen, die ihren Sinn, ihre Bedeutung und ihren Wert nicht im Tragen von teuren Accessoires sehen, sondern in der täglichen, herzlichen Begegnung von Mensch zu Mensch. Da finde ich tiefe Lebens-weisheit, bei älteren Menschen, die viel erlebt und gesehen haben. Sie müssen sich nicht mehr beweisen, wie „erfolgreich“ und wie reich sie sind. Es sind die schlichten, einfachen inneren Werte, die das Leben schön machen: Herzlichkeit, Glauben an das Gute, Vertrauen in Gott, der uns begleitet, Wissen, dass wir alle sterblich sind und einmal Abschied nehmen müssen, aber auch Wissen, dass jetzt die Zeit ist, um Gutes zu tun.

All das kann man mit Geld nicht kaufen. Und der Frieden, der uns durch ein solches schlichtes Leben geschenkt wird, lässt sich mit 100 000 Franken nicht kaufen.

Ich freue mich sehr, wenn solche direkten Begegnungen von Mensch zu Mensch – auch mit dem nötigen 2m-Abstand – wieder möglich werden, denn sie machen den Wert des Lebens aus! Und so wünsche ich Ihnen von Herzen ein gutes Durchhalten, bis wir uns im Gottesdienst und dann hoffentlich auch wieder bei dieser oder jener Veranstaltung begegnen können! Bhüet Sie Gott!

Erich Jermann