Pfingsten – ein christliches Vakuum?

Die Corona-Krise und die damit verbundenen aussergewöhnlichen Situationen sind nicht nur negativ. Sie setzen auch Ideen frei, die sonst vielleicht nicht gekommen wären.

So erging es uns Katechetinnen, als wir hörten, dass es zu Pfingsten möglicherweise noch keine Gottesdienste gäbe. Ob nun Gottesdienste stattfinden oder nicht, lassen Sie sich inspirieren durch folgende Idee und Gedanken:

Uns kam nämlich der «Geistesblitz», noch eine Station zu unserem Osterweg in der Kirche anzuhängen– und zwar die Pfingstdarstellung. Und dann kam natürlich die grosse Frage- wie-?

Weihnachten und Ostern feiern und auch darstellen ist uns näher als das Pfingstfest. Man könnte fast sagen, dass das Pfingstfest ein christliches Vakuum ist. Pfingsten hat mit dem Heiligen Geist zu tun. Aber da der Geist etwas Abstraktes ist, was nicht fassbar ist, kamen wir als «gute Katechetinnen» erst einmal auf die Symbole des Pfingstfestes zu sprechen und entschieden uns das Pfingstereignis mit Feuerflammen und einem offenen Fenster darzustellen.

Hier nun meine persönlichen Überlegungen dazu:

Als der Evangelist Lukas ein paar Jahrzehnte später den Pfingstbericht aufschrieb, wusste er wohl nur eines mit Sicherheit, dass die Jünger und Jüngerinnen aus ihrer Angst und Resignation erwacht sind und durch dieses Ereignis Kraft und Mut bekamen, die Botschaft Jesu weiter zu verkünden und weiter zu leben. Diese Tatsache hat er mit Bildern bzw. Symbolen dargestellt. Dafür stehen unter anderem die Feuerflammen in der Pfingstgeschichte. Die Jünger und Jüngerinnen waren Feuer und Flamme, um die Botschaft Jesu weiter zu sagen. Da hören wir auch noch vom Wind und von energiegeladener Luft, die Menschen aufbrechen lässt, von Luft die lebenswichtig ist. So konnten sich die Menschen damals den «Geist» Gottes vorstellen, d.h. Gottes unsichtbares Wirken.

So haben wir uns genau aus diesen Gründen für die Pfingstdarstellung mit Feuerflammen und einem offenen Fenster, durch das frische, energiegeladene Luft hineinkommt, entschieden. Ein Mann, der etwas vom Heiligen Geist gespürt hat, nämlich Papst Johannes XXIII, hat damals das Zweite Vatikanische Konzil einberufen und gefordert, man solle die Fenster öffnen und frische Luft in die Kirche hineinlassen.

Genau dieses geöffnete Fenster, welches wir bei der Pfingststation aufgestellt haben, soll uns heute zum Nachdenken anregen.

In der Corona-Krise haben wir vielfach einen guten, einen heiligen Geist gespürt. Überall da, wo Menschen zugehört, geholfen und getröstet haben. So meine ich, dass in unserer Pfarrei ein guter Geist wirkt, da steht das Fenster auf Öffnung.

Es gibt aber auch diesen Ungeist, der Ethnien für die Krise verantwortlich macht, der Verschwörungstheorien in die Welt setzt und dadurch einen Geist der Rechthaberei und Intoleranz hervorruft. Da schlagen einige Fenster zu.

Und dann höre ich, wie auch manchmal in unserer Institution Kirche «Fenster zuschlagen». Sei es in der Ökumene, bei der Frage der Ordination um die Frauen in unserer Kirche oder bei der Frage des Zölibats. Diesen Geist würde ich als Geist der Unbeweglichkeit, der Phantasielosigkeit und des Machtmissbrauchs bezeichnen. Da gibt es ein paar ältere Männer, die Angst haben vor frischer Luft, Angst haben, sich im Durchzug zu erkälten, statt Freiheit einzuatmen. Und da muss man sich nicht wundern, wenn von «Begeisterung» nicht mehr viel zu spüren ist.

Dabei heisst es doch in der Bibel: »Wo der Geist Gottes weht, da ist Freiheit». Lassen wir auch darum unseren Kindern und Jugendlichen den nötigen Freiraum. Sie sind die, die vor Energie strotzen, die frischen Wind in unsere Gemeinschaft bringen. Lassen wir ihnen die Freiheit, um sich mit der Botschaft Jesu auseinanderzusetzen, kritisch zu hinterfragen und zu erkunden, was ihnen wichtig ist an der Botschaft Jesu.

Am Fest des Geistes feiert man das Lebendigwerden der Kirche, wo Jesu Geist spürbar und sichtbar wird, wo Mut, Aufbruch, Lebenskraft und Zivilcourage sich zeigen. Wo Fenster geöffnet werden, um all das in unsere Herzen hinein zu lassen.

Meinen Sie nun nicht auch, dass Pfingsten kein «christliches Vakuum», sondern eines unserer wichtigsten Feste im Kirchenjahr ist und somit die Fenster der Kirche geöffnet bleiben müssen?

Susanne Stoffel, leitende Katechetin